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03.10.2009:
Das Calvin-Jahr geht seinem Ende entgegen ...

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Unsere Kirche

Die Reformierte Kirche in Blumenthal ist kein sehr altes Gotteshaus wie in Bremen der Dom oder Unser Lieben Frauen, sie ist aber mit ihrem Baujahr 1879 die älteste evangelische Kirche im Stadtteil. Außerdem enthält sie Zeugen einer langen Geschichte, die bis in das 16. Jahrhundert, die Zeit der Reformation zurückführen.

Im heutigen Bau versammelt sich die kleine Evangelisch- reformierte Gemeinde, die zur Bremischen Evangelischen Kirche gehört. Mit drei anderen Gemeinden in Aumund, Farge und Wasserhorst ist sie geprägt vom Bekenntnis und von der Kirchenordnung der reformierten Lehre, die auf den Reformator Johannes Calvin zurückgeht und sich von der lutherischen und allgemein evangelischen Tradition in einigen wesentlichen Punkten unterscheidet. Ein sichtbarer Unterschied ist die Schlichtheit des Kirchenraums und der Gottesdienstordnung. Allerdings hat der Architekt, der selbst aus einer lutherischen Gemeinde stammte, die charakteristischen Merkmale des reformierten Gottesdienstes in seinem Entwurf nicht berücksichtigt.

Die Kirche bildet mit dem vierjochigen Langhaus, dem Querschiff und der Apsis die traditionelle altkirchliche Kreuzform. Von der früher üblichen Ostung (Ost-West - Ausrichtung) weicht sie etwas nach Nordosten ab. In den drei ersten Jochen ist sie fast einschiffig, abgesehen von schmalen Seitengängen. Im vierten Joch weitet sich der Raum durch an die Vierung anschließende kapellenartige Anbauten. Durch sie wird der Zentralbereich von Langhaus und Querhaus dreischiffig und bildet ein geräumiges Quadrat, in dem die Gemeinde sich nahe an der Kanzel und am Abendmahlstisch versammeln kann. Auch die Emporen finden im erweiterten Querschiff reichlich Platz, ohne den Raum optisch einzuengen. Die Kirche bot ursprünglich 1.100 Sitzplätze, die seither durch Auseinanderrücken der Bänke verringert worden sind. Sie ist aufgrund ihrer Größe und guten Akustik auch für Konzerte und andere Aufführungen sehr geeignet.

Rundgang durch die Kirche:

Das Portal und die Turmhalle sollen erst am Schluss des Rundgangs beachtet werden. Wir treten ein in den Innenraum, dessen weiße Wände und Gewölbe vom roten Ziegelwerk der gemauerten Pfeiler, Rippen, Simse und Brüstungen gegliedert werden. Darüber hinaus findet sich auf den ersten Blick wenig künstlerische Ausstattung. Die Aufmerksamkeit wird auf das Wesentliche des evangelischen Gottesdienstes gelenkt: im Osten steht der schmucklose steinerne Tisch für das Abendmahl, der hier nach reformierter Tradition nicht "Altar" genannt wird. Die erhöhte Kanzel an der Südseite, die original zum Bau gehört, betont den besonderen Rang der Predigt.

Hinter dem Tisch erhebt sich als beherrschendes Symbol ein großes Holzkreuz ohne Korpus. Es wurde bei einer Umgestaltung nach 1960 in den damals einheitlich weiß überstrichenen Raum gestellt und hob sich deutlich vom Hintergrund ab. Seit der letzten Renovierung der Kirche, mit der die roten Ziegelelemente wieder sichtbar gemacht wurden, ist es der Architektur nicht mehr angepasst. Seine Wirkung erschließt sich erst bei näherem Herantreten. Wenn die Gemeinde sich zum Abendmahl im großen Sitzkreis um den Tisch versammelt, streckt es seine schweren Balkenarme über sie aus und wird zum Zeichen des Gastgebers Christus, der mit zwei "Ich bin" - Worten an der Chorwand zu sich einlädt: "ICH BIN DAS BROT DES LEBENS" - "ICH BIN DAS LICHT DER WELT".

Die Symbole der drei mittleren Chorfenster

Die reformierten Gemeinden nehmen das zweite der biblischen zehn Gebote ernst, in dem Gott sagt: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen - bete sie nicht an und diene ihnen nicht." Deshalb waren und sind Bilder in ihren Kirchen verpönt. Nicht so streng ist man in unserer Kirche mit den "Sinnbildern" oder Symbolen verfahren. Sie bilden eigentlich nichts ab, sondern sind Zeichen, die für ein Wort oder einen Satz oder Begriff stehen, ähnlich dem heutigen "Piktogramm" und dem "Logo". Auch das Kreuz ist ein solches Symbol. Vom Betrachter wird erwartet, dass er die Bedeutung der Symbole wie eine Geheimschrift entziffern kann. Dafür gibt es in dieser Kirche zwei Beispiele. Das eine sind diese drei Chorfenster, das andere die alte Kanzel.
Solche Symbole sind oft mehrdeutig. Die Zeichen in den Fenstern werden im Folgenden jeweils in eine biblische Aussage übersetzt.

Die Fenstersymbole
Alpha und Omega - Der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets stehen für das Gotteswort: ?Ich bin das A und das O, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige" (Offenbarung 1,8).
Der Anker bezieht sich auf das Bildwort ?Wir haben die Hoffnung als einen sicheren und festen Anker unserer Seele" (Hebräer 11,18-19).
Das Christusmonogramm mit ineinander gefügten X und P verbindet die griechischen Buchstaben Chi und Rho als Anfang des Messiastitels CHRistus: "Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt der Gesalbte" (Johannes 1,41).
Das Christusmonogramm JHS enthält die griechischen Anfangsbuchstaben des Namens Jesus: "Maria soll einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von seinen Sünden" (Matthäus 1, 21). Daraus entstand ein Kürzel für das lateinische Jesus Hominum Salvator = Jesus, der Menschen Erlöser, oder für eine Vision des Kaisers Konstantin: In Hoc Signo = in diesem Zeichen (wirst du siegen). Später las man auch Jesus - Heiland - Seligmacher.
Die Dornenkrone gehört zum Leiden Christi: "Sie flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm auf und fingen an, ihn zu grüßen: gegrüßet seist du, der Juden König" (Markus 15, 17).
Der Kelch steht für das Abendmahl: "Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi?" (1.Korinther 10,10).
Kornähren verweisen ebenfalls auf das Abendmahl und auch das Jesuswort: "Ich bin das Brot des Lebens" (Johannes 6,35), oder für das Bildwort: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht" (Johannes 12,24).
Drei Kreuze
stellen den Tod Christi auf Golgatha dar: "Sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken" (Markus 15,27).
Kreuz und Schlange bedeuten Christi Sieg über die Sünde. Gottes Fluch über die Schlange nach dem Sündenfall wird auf Jesus bezogen: "Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Der wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen" (1. Mose 3,15).
Kreuz auf der Weltkugel verkündet die Siegeskraft des Glaubens: "Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt. Und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat" (1.Johannes 5,4).

Die Krippe symbolisiert die Botschaft der Engel an die Hirten: "Ihr werdet das Kind finden in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen" (Lukas 2,11).
Die Krone bekennt die Herrschaft Christi: "Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll" (Johannes 18,37).
Die Öllampe mahnt zur Wachsamkeit: "Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen, und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten" (Lukas 12,35).
Schiff mit Kreuzmast: Das "Schepken Christi" ist in vielen reformierten Kirchen als Wappen oder Siegel gebräuchlich. Es bezeichnet die Gemeinde als Schiffsbesatzung in Seenot: "Er sprach zu ihnen: Seid getrost, ich bins, fürchtet euch nicht! Und trat zu ihnen ins Boot, und der Wind legte sich" (Markus 6,50f)
Der Stern war Wegweiser für die Weisen zum Stall von Bethlehem: "Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten" (Matthäus 2,2). Es weist auch den Weg des Glaubens: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." (Johannes 8,12).
Die Taube ist Symbol der Taufe und des Heiligen Geistes. Bei der Taufe Jesu im Jordan "tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herab fahren und über sich kommen" (Matthäus 3,16).
Die Weinrebe beschreibt die Gemeinschaft mit Christus: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt, und ich in ihm, der bringt viel Frucht" (Johannes 15,5).

Die seitlichen Chorfenster enthalten seit 1949 die Namen der gefallenen Soldaten des 2. Weltkriegs. Dazu soll bei der Betrachtung des Eingangsportals noch etwas erklärt werden.

Die beiden Kanzeln und ihre Geschichte.

Die originale Kanzel an der Südseite ist in ihrer Höhe auf die Emporen abgestimmt, damit die dort sitzenden Teilnehmer die Predigt verstehen und den Pastor sehen können. Außerdem hatten die hohen Kanzeln im früheren Kirchenbau auch einen theologischen Sinn: was von dort her verkündet wird, ist nicht Menschen- sondern Gotteswort. Das drücken auch die Bibeltexte an der Kanzelbrüstung aus: "Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein" - "Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren" - "Das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit." Diese Kanzel ist inzwischen kaum noch in Gebrauch.

Die alte Kanzel von 1585 steht der Originalkanzel gegenüber an der Nordseite. Das kostbare Ausstattungsstück hat viel zu erzählen. Ursprünglich gehört sie nicht in die heutige Kirche. Auf ihr hat schon der erste reformierte Pastor von Blumenthal gestanden. Der Ort zählte nur wenige "Feuerstellen", und eine sehr kleine, unscheinbare Kapelle verriet die Armut der Gemeinde. Wahrscheinlich hat der Senat zu Bremen sie ihr als Patron gestiftet, weil sie sich eine künstlerisch geschnitzte Kanzel nicht leisten konnte. Diese älteste noch erhaltene Kanzel aller bremischen Kirchen bietet ein seltenes Bildprogramm. Ein einmaliger Glücksfall ist es, dass sie nur sieben Jahr-zehnte in Gebrauch war. Dann wurde das alte Kirchlein vergrößert. Die Kanzel wurde durch eine neue ersetzt, vielleicht weil ihre Thematik nicht mehr verständlich oder nicht mehr erwünscht war. Sie geriet in die Abstellkammer. Dadurch sind Reste ihrer alten Farbfassungen erhalten geblieben, die dem Restaurator nach 1980 eine Wiederherstellung der ursprünglichen Farbigkeit ermöglichte.

Geschmückt ist die Kanzel in der Formensprache der Frührenaissance. In dieser Zeit entdeckte die Kunst Formen und Motive der Antike wieder. Zugleich setzten sich die Menschen geistig mit dem nahenden Ende der Welt auseinander. Die Endzeit und ihre Visionen, Apokalyptik genannt, beschäftigten die Theologen und die Künstler. Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, stand hoch im Kurs.

Andererseits ist die Kanzel gestaltet im Geiste der reformierten Lehre und des biblischen Bilderverbots. Aber sind denn nicht zumindest die Frauenköpfe doch Bilder? Nein, denn sie bilden nichts Irdisches ab, sondern symbolisieren etwas Himmlisches. Gold ist die Farbe Gottes, ebenso der Lüsterglanz, der in der roten und grünen Farbe liegt. Die Blumen, Früchte und Blätter gehören wie auch die Köpfe nicht zur geschaffenen, irdischen Welt. Sie sind verschlüsselte Botschaften aus Gottes Wort. Die damaligen Menschen, zumindest die Gebildeten, konnten diese Geheimschrift lesen.

Die vier Felder des Kanzelkorbes sind gegliedert durch Bögen und korinthische Säulen, die in der Bildsprache der Renaissance einen Tempel symbolisieren. Auch der ist nicht irdisch. über den Bögen sieht man in den Zwickeln Mauerquader, die das himmlische Jerusalem andeuten. Die vier pyramidenförmig geschliffenen Edelsteine in den Bögen sprechen von der Herrlichkeit Gottes. Die großen Deckelpokale im mittleren der drei Ebenen bezeichnen nicht den Kelch des Heils aus dem Abendmahl, sondern den des Zornes Gottes, der im Gericht ausgegossen wird über die Abtrünnigen unter den Menschen.

In der Offenbarung des Johannes finden wir das endzeitliche Drama, das mit diesen Sinnbildern beschrieben wird: vom Tier aus dem Abgrund, lästert Gott und verführt die Menschen zur Sünde. Der Zorn Gottes entbrennt über diese Abtrünnigen. Und die Getreuen, die in allen Anfechtungen ihre Kleider nicht befleckt haben, werden angenommen. Die oberen Ebenen enthalten dreimal Gefäße, die keinen Deckel haben, sondern Ausgüsse. An der vierten Seite steht ein Kelch, bedeckt mit einem Teller (Patene), auf dem ein Brotlaib liegt. Gemeint ist das himmlische Abendmahl, das Christus mit dem feiern wird, der seine Stimme hört (3,20). Darunter steht der "Kelch des Zorns" (14, 10), der den vom Glauben abgefallenen Anbetern des Tieres gilt. Hier ist er verschlossen, er wird nicht ausgeschüttet. Denn unter der Konsole, die wohl einen Altar (6,9) darstellt, sehen wir den körperlosen weiblichen Kopf, drapiert mit einem Tuch (weißes Leinen, weiße Kleider: 6,11; 19,8) und gekrönt mit einer Palmette (7,9). Das ist kein lebender Mensch aus Fleisch und Blut, auch keine Heilige im Sinne der katholischen Tradition, sondern die Seele einer Seligen, die vom Gericht Gottes verschont wird.

Verstärkt werden die Aussagen von den Schmuckbändern an der Sockel- und Kopfleiste: die Blumen verkörpern den himmlischen Garten, die Früchte die guten Werke, an denen man den Glauben erkennt, und die Lorbeerblätter das reine Gewissen, das vor dem Gericht bestehen kann.

An der alten Kanzel können wir demnach Worte der Offenbarung ablesen:
"Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben" (2,10);
"Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens" (3,5);
"Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben. Sie sollen ruhen von ihrer Mühsal; denn ihre Werke folgen ihnen nach" (14,13).

Die Orgel kommt in den Blick, wenn wir uns dem Ausgang zuwenden. Sie wurde 1950 erbaut von Alfred Führer, Wilhelmshaven.

In der Turmhalle treffen wir auf die Büste des Kirchenstifters Christian Heinrich Wätjen. Der reiche Bremer Kaufmann und Reeder, der 47 Segler und 4 Dampfschiffe über den Ozean fahren ließ, wollte sein nahe liegendes Park- und Gutsgelände um das Pfarrhausgrundstück und weiteres Kirchenland vergrößern. Er hat die Neubauten großzügig, aber nicht ganz uneigennützig mit 200 000 Reichstalern finanziert.

Im Portal nennen zwei Steintafeln die Namen der Gefallenen des 1. Weltkriegs 1914-18, während die des 2. Weltkrieges 1939-45 in den seitlichen Chorfenstern stehen. Die Texte über und unter den Namen sprechen die patriotische Sprache ihrer Zeit, die wir heute nicht mehr für angemessen halten. Darum hat der Kirchenrat 90 Jahre nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs ein Metallschild angebracht, das sich zu einer veränderten Würdigung der Kriegstoten bekennt.

Rundgang um die Kirche

An der Außenwand, auf dem Friedhof und beim Alten Turm finden wir alte Grabsteine, die vom Leben und Sterben der Menschen in vergangenen Jahrhunderten erzählen. Besonders imposant ist südöstlich der Kirche die Grabstelle von Ferdinand Ulrich, dem kaufmännischen Direktor der Bremer Woll- Kämmerei (1884-1915) mit der Gestalt einer Trauernden aus Metallguss.

Am Ende des Weges in Verlängerung des Nordausgangs wurde im Baujahr der neuen Kirche eine Eiche gepflanzt. Als sie 2004 abgestorben war, hat die Bildhauerin Nicola Dormagen aus ihr ein Kunstwerk gestaltet. Auf drei transparenten Tafeln erzählt der Baum, was er in seinen 125 Lebensjahren um sich herum sah, hörte und fühlte.

Der Turm am nördlichen Ende des Friedhofes gehörte zur alten Kirche, die 1879 durch den Neubau ersetzt und abgerissen wurde. Erbaut 1604, ist dies älteste kirchliche Bauwerk Blumenthals auf Wunsch des Stifters Wätjen erhalten geblieben. Es enthält ein von Jan Noltenius gestaltetes Mahnmal für die Blumenthaler Gefallenen der beiden Weltkriege. Das Holzrelief des Bildhauers Walter Wadephul stellt einen toten Soldaten dar, um den eine Frau trauert. Ein Engel weist mit ausgerecktem Arm tröstend nach oben. Zwei Klöppel im Inneren des Turms gehörten zu den Glocken, die einst die Gemeinde zusammengerufen haben. Außen an der Ostseite sind drei alte Steintafeln eingelassen. Eine ehrt die zur Bauzeit des Turms 1604 regierenden Bremischen Bürgermeister Johann Esich, Heinrich Zobel, Daniel v. Büren und Henrich Houken durch ihre Wappen. Auf der zweiten dankt die Gemeinde 1732 mit einer lateinischen Inschrift den Ratsherren Werner Köhne und Henrich Meier für Spenden zum Neubau der Kirche. Die dritte Tafel zeigt in barocker Pracht die Wappen dieser beiden Familien. Der Lüssumer Bürgerverein betreut ehrenamtlich den Turm und die umgebende Anlage mit den historischen Grabsteinen.

Ein historisches Fundstück, das wahrscheinlich aus einem Sandsteinfries der alten Kirche stammt, ist im Innenhof des neuen Gemeindehauses angebracht. Dargestellt ist Abrahams Opfer mit den lateinischen Worten aus seiner Berufungsgeschichte: DEUS IMPUTAT EUM AD IUSTITIAM: Gott rechnete ihm (seinen Glauben) zur Gerechtigkeit an.

Einige Daten aus der Geschichte.

800    etwa könnte im nahe gelegenen Waldstück "Löh" eine Eiche aufgewachsen sein, die 1809 stürzte: die "hillige Eeke." Dieses tausendjährige Naturdenkmal gilt als ältester Kult- und Gerichtsplatz Blumenthals. Die ersten Christen der Gegend sollen sich an der ehemals heidnischen Weihestätte zum Gottesdienst versammelt haben.
1523    als Bremen lutherisch wurde, stand vielleicht schon eine Kapelle in Blumenthal, die zwei adlige Damen aus der Ritterburg Blomendal gestiftet haben. Die erste kleine Pfarrkirche mit Glockenstuhl wurde wohl nach der Reformation errichtet und mit einem lutherischen Prediger besetzt.
1568    bis 1580 setzte Christoph Pezel in Bremen das reformierte Bekenntnis durch, das auch für Blumenthal gültig wurde.
1584    wurde die Renaissance - Kanzel eingebaut und blieb bis zur Erweiterung der Kirche 1662 in Gebrauch.
1604    ersetzte der "Alte Turm" den bisherigen Glockenstuhl.
1732    wurde die schon zweimal vergrößerte Kirche wegen der wachsenden Einwohnerzahl abgerissen und durch einen größeren Bau ersetzt. Der Turm blieb erhalten.
1741    ging das Amt Blumenthal von Bremen an das vorwiegend lutherische Kurfürstentum Hannover über, das in Personalunion mit England regiert wurde. Die Gemeinde zählte mit Lehe, Ringstedt, Holßel und Neuenkirchen zu den "5 Reformierten an der Unterweser".
1879 wurden die heutige Kirche und das Pfarrhaus erbaut, weil Blumenthal durch die Industrialisierung rasch wuchs. Der Architekt Johannes Vollmer (1845-1920) entwarf und leitete den Bau. Sie ist der erste Sakralbau seiner erfolgreichen Laufbahn als Kirchenarchitekt. Er wählte den neugotischen Stil, der zu dieser Zeit im evangelischen Kirchenbau vorherrschte.

Der Reeder Ch. H. Wätjen stellte die Bausumme von 200.000 Goldmark zur Verfügung. Zwei Jahre hatte der Kirchenrat sich gegen das Angebot gewehrt, bis eine Gruppe von Gemeindegliedern ihn zur Annahme drängte.
1959    wurde die Reformierte Gemeinde Blumenthal wieder in die Bremische Evangelische Kirche eingegliedert, nachdem der Ort schon seit 20 Jahren ein Stadtteil von Bremen war. Der Bekenntnisstand der Gemeinde blieb erhalten. Mit der nahen lutherischen Gemeinde pflegt sie heute gute Nachbarschaft.

Literatur:
Gramatzki, R.: Bremer Kanzeln aus Renaissance und Barock. 2001
Halenbeck, L.: Blumenthal und Schönebeck. 1878.
Krampf, D.: Johannes Vollmer, Ein Architekt des deutschen protestantischen Kirchenbaus im 19. und 20. Jahrhundert. Dissertation. Bonn 1990.
Tietjen, A.; Blumenthal - meine Heimat. 1937