WAS IST REFORMIERT?
Wir danken der Evangelisch – reformierten Kirche (www.reformiert.de) für die freundliche Genehmigung zur Übernahme einiger Artikel aus ihrer Broschüre „Was ist reformiert?“
In Frage und Antwort werden wir einige Besonderheiten „der Reformierten“ näher beleuchten:
1. In meiner Heimat gibt es nur Evangelische, aber keine Reformierten?!
Wenn jemand z.B. aus Hessen oder NordrheinWestfalen nach Bremen umzieht, so staunt er manchmal nicht schlecht, weil er/sie gefragt wird: Welcher Konfession sind Sie? Antwort: „Evangelisch." „Evangelisch - lutherisch oder Evangelisch - reformiert, also was sind Sie?" „Bisher war ich evangelisch - bei uns gab es keine Aufteilung in lutherisch oder reformiert." Das Ergebnis eines solchen Gesprächs ist oft Ratlosigkeit.
Das liegt daran, dass die kirchliche Landschaft in Bremen anders ist als in manchen anderen Bundesländer. Speziell reformierte Landeskirchen gibt es nur zwei in Deutschland: Die Evangelisch-reformierte Kirche, die ihren Sitz in Leer / Ostfriesland hat, und die Lippische Landeskirche (Sitz: Detmold), die allerdings auch eine lutherische Minderheit beheimatet.
Aber nicht nur dort leben reformierte Christen und Christinnen. Denn es gibt in Deutschland eine ganze Reihe sogenannter unierter Kirchen, etwa im Rheinland und in Westfalen, aber auch in Hessen, in der Pfalz, in Berlin und Brandenburg, in Baden und in Sachsen-Anhalt.
Im 19. Jahrhundert haben sich hier die vorhandenen lutherischen und reformierten Kirchen vereinigt. Dabei setzte in den ehemaligen preußischen Gebieten der König diese Union durch - zum Teil auch gegen den Widerstand einzelner Kirchen. In Folge dieses Gesamtzusammenschlusses gab es dort nun drei verschiedene Kirchentypen in einer Landeskirche nebeneinander: manche Gemeinden blieben reformiert, andere blieben lutherisch. An manchen Orten schlossen sich nebeneinander bestehende lutherische und reformierte Gemeinden zu einer zusammen (oft übrigens ohne Änderung des vorherigen Bekenntnisstandes, man ließ die verschiedenen Bekenntnisse einfach nebeneinander stehen). Das Bewusstsein für die Prägung der Gemeinden blieb bis Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber kamen viele Flüchtlinge aus vor allem lutherisch geprägten Gebieten in Gemeinden, die vorher zum Teil eher reformiert geprägt waren. Das hatte neben der geschwundenen konfessionellen Besonderheit zur Folge, dass das gemeinsame Evangelische noch mehr betont wurde - bis hin zur heutigen Situation, dass in vielen Gemeinden nicht einmal mehr eine Kenntnis über frühere Prägungen da ist.
Deswegen ist es bei Umzügen nach Bremen manchmal schwer, sich entscheiden zu müssen. Vielleicht aber auch eine Chance, sich umzuschauen und verschiedene Gemeinden kennen zu lernen.
2. „Wie sind die Reformierten überhaupt entstanden?“
Die evangelisch-reformierte Kirche geht zurück auf die Reformation in der heutigen Schweiz, vor allem in Zürich und Genf. In Zürich war es zunächst Ulrich Zwingli (1484 - 1531), der aufgrund von Missständen eine Reform der Kirche begann. Seine große reformatorische Entdeckung war, zunächst ganz unabhängig von Luther, die Einzigartigkeit der Autorität der Bibel. Seine Reformation zog in der deutschsprachigen Schweiz große Kreise. Für die weltweite reformierte Bewegung waren dann die Stadt Genf und der Reformator der zweiten Generation, Johannes Calvin (1509 - 1564), wichtig. Seine Bemühungen galten der Ausarbeitung der reformierten Lehre und der Organisation der Kirche. Bei ihm studierten viele später einflussreiche Theologen aus zahlreichen europäischen Ländern (z.B. John Knox aus Schottland). In Deutschland haben im 16. Jahrhundert zur Reformationszeit die Landesherren dafür gesorgt, dass in vielen Grafschaften und Herzogtümern die Reformation eingeführt wurde. Und der Landesherr bestimmte auch, welche Konfession in seinem Land galt: die lutherische oder die reformierte. Aus Frankreich flohen im 16. und 17. Jahrhundert reformierte Christen, die in ihrem Land verfolgt wurden: die Hugenotten. An mehreren Orten Deutschlands wurden sie aufgenommen und gründeten dort Gemeinden. Die Reformierten in Deutschland haben also grob gesagt zwei Entstehungsgründe: Zum einen über den „normalen" Weg, indem der Landesherr die Konfession vorgab; zum anderen über die Aufnahme von Flüchtlingen.
3. Welche Rolle spielt Martin Luther bei den Reformierten?
Auch für die Reformierten in Deutschland gilt Martin Luther als ein wichtiger Reformator. Er ist derjenige, der mit seiner Person die Reformation in Deutschland angestoßen hat.
Aus reformierter Sicht hat Johannes Calvin mehr als Ulrich Zwingli die reformatorischen Grundgedanken Luthers in seine Theologie übernommen und ausgeweitet. Er hat Luther nicht einfach wiederholt, sondern weitergedacht.
Von daher kann die evangelisch-reformierte Kirche und Theologie auf der einen Seite sich Luther sehr nahe wissen. Auf der anderen Seite kann sie aber auch Dinge anders sehen und benennen, als Luther es selber getan hat. Sie ist frei dazu, mit Luther umzugehen wie mit jedem anderen Theologen auch. Die evangelisch-reformierte Kirche hat sich nie calvinistische oder zwinglianische Kirche nennen wollen, weil sie sich keiner Person verpflichtet weiß. Vielmehr möchte sie sich mit den großen Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin und mit vielen anderen immer wieder neu herausfordern lassen durch die Botschaft der Heiligen Schrift.
Übrigens wird in den meisten deutschen reformierten Gemeinden die Lutherbibel und nicht die in der Reformationszeit entstandene Zürcher Bibel benutzt.
4. Wer war eigentlich Johannes Calvin?
Johannes Calvin wurde 1509 in Noyon/Nordfrankreich geboren. Nach seinem Jurastudium erfährt er eine plötzliche Bekehrung zur evangelischen Konfession hin. Er schreibt für die unter Druck geratenen französischen Evangelischen einen Katechismus, der später zu einer Dogmatik (Institutio Christianae Religionis, Unterricht in der christlichen Gottesverehrung) ausgebaut wird. 1536 wird er auf der Durchreise in Genf von Guillaume Farel fest gehalten, um die Reformation in Genf zu fördern. Zögernd sagt er zu. Bis 1538 arbeitet er zusammen mit Farel an der Durchsetzung der Reformation in Frankreich, wobei er manchmal undiplomatisch vorgeht. Dieses Vorgehen und eine gewandelte Stimmung in der Stadt führen zur Ausweisung. Calvin geht nach Straßburg und arbeitet als Pfarrer der französischen Flüchtlingsgemeinde. 1541 wird er wieder nach Genf zu rückgeholt und arbeitet bis zu seinem Tod 1564 als Organisator, Prediger und theologischer Lehrer.
Kennzeichen seiner Theologie ist vor allem die Absicht, die Reformation auch in der Struktur der Kirche erkennen zu lassen. Verschiedene Ämter stehen in der Rangordnung nebeneinander (Pastor, Ältester, Lehrer, Diakon). Es wird die „Kirchenzucht" eingeführt, die aber vor allem (gegen eine bis heute populäre Sicht) ein seelsorgerliches Instrument ist. Calvin gründet die Akademie, an der Theologen aus vielen Ländern sich ausbilden lassen. Er überarbeitet seine „Institutio" mehrfach, die zu einem Lehrbuch für reformierte Theologie wird. Vor allem aber predigt er und legt die Bibel aus. Oft wird Calvin als Despot, Theokrat und unbarmherzig dargestellt. Diese nachweislich einseitigen Urteile entstammen zumeist konfessionellen Polemiken; besonders der hamburgische lutherische Pastor Joachim Westphal (1510-1574) hat sich hier unrühmlich hervorgetan. Dabei muss durchaus Calvins Verhalten in manchen Dingen aus heutiger Sicht als sehr problematisch angesehen werden (etwa im Falle Michael Servet). Aber es wird meistens übersehen, dass in Genf eine vorbildliche Armenfürsorge aufgebaut wurde, dass zeitweise die Hälfte der Bewohner Genfs aus Flüchtlingen bestand, dass die zahlreichen Briefe Calvins äußerst warmherzig formuliert sind und dass Calvin einen feinen Humor besaß. Es ist an der Zeit, das gängige Calvinbild zu verändern.
5. Warum gibt es in den meisten evangelisch – reformierten Kirchen keine Bilder?
Die meisten evangelisch-reformierten Kirchen fallen durch ihre Schlichtheit auf. Bilder, die in römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Kirchen das Gebäude von innen prägen, fehlen; ja, in der Reformationszeit sind vielfach die vorhandenen Wandgemälde übertüncht und an manchen Orten sogar Bilder und Statuen aus der Kirche gänzlich entfernt worden. Die Begründung für diese Praxis liegt in den Zehn Geboten. Dort heißt es im zweiten Gebot: „Du sollst dir kein Bildnis machen." Während Martin Luther und die lutherische Tradition ebenso wie die römisch-katholische Kirche das zweite Gebot in ihren Katechismen gestrichen haben, weil Gott selber in Jesus Christus in diese Welt gekommen ist und sich so abbildbar gemacht habe, haben die Reformierten dieses Gebot durch das Kommen Christi nicht in Frage gestellt, sondern eher noch bekräftigt gesehen. Das wichtigste Bekenntnis der deutschen Reformierten, der Heidelberger Katechismus, formuliert, dass die Bilderverehrung deshalb problematisch ist, weil Gott nicht in Bilder gefasst werden kann. Und auf die Frage, ob denn nicht die Bilder die biblischen Geschichten erzählen können für diejenigen, die des Lesens nicht mächtig sind, antwortet der Heidelberger Katechismus: „Nein; denn wir sollen uns nicht für weiser halten als Gott, der seine Christenheit nicht durch stumme Götzen, sondern durch die lebendige Predigt seines Wortes unterwiesen haben will." (Frage 98) In vielen reformierten Kirchen sind daher Bibelsprüche an die Wand oder an die Kanzel angebracht worden.
In neuerer Zeit werden aber auch in manchen evangelisch-reformierten Kirchen im Zuge von Renovierungen freigelegte Bilder der vorreformatorischen Zeit nicht mehr verdeckt.
Im Ernstnehmen des Bilderverbots stimmen übrigens die Reformierten mit dem Judentum überein, das sich ebenfalls durch Bilderlosigkeit in den Synagogen auszeichnet.
Man wird aufgrund der Bilderlosigkeit in den Kirchen keine generelle Kunstfeindlichkeit der Reformierten erkennen können - das Gegenteil ist eher der Fall. So haben die reformierten Niederlande beispielsweise Franz Hals und Rembrandt hervorgebracht. Nur: In der Kirche steht im Vordergrund das zu predigende Wort, nicht das Bild. Und deshalb sind die reformierten Kirchen in der Regel auch so schlicht.
6. Warum gibt es in evangelisch – reformierten Kirchen keinen Altar?
In den meisten evangelisch-reformierten Kirchen, wenn auch nicht in allen, befindet sich vorne ein Tisch, auf dem oft eine offene Bibel liegt. Diesen Tisch nennen die Reformierten nicht „Altar", sondern „Abendmahlstisch". In evangelisch-lutherischen Kirchen sieht es oft genauso aus, aber da wird dieser Tisch „Altar" genannt. Hintergrund ist das unterschiedliche Verständnis des Abendmahls zwischen römisch-katholischer und evangelischer Kirche in der Reformationszeit. Ein Altar ist in vielen Religionen eine Opferstätte, und nach damaligem römisch-katholischem Verständnis wurde auf dem Altar geopfert: Brot und Wein wurden durch den Priester in Leib und Blut Christi verwandelt und dann Gott zur Besänftigung seines Zorns angeboten - das Abendmahl wurde als Opfer verstanden. „Altar" ist die Stätte, an der etwas für Gott geopfert wird.
Nun haben alle Reformatoren hier deutlich gemacht, dass nicht wir Gott etwas opfern können, sondern dass sich Gott für uns dahingegeben hat: Gott ist gnädig ohne Bedingung. Aber in der Folge dieser grundlegenden übereinstimmenden Erkenntnis gibt es dann einen Unterschied zwischen Lutheranern und Reformierten. Während die Lutheraner die alten Bezeichnungen beibehielten (dabei freilich nicht das katholische Opferverständnis übernahmen), haben die Reformierten häufig die Bezeichnung „Altar", die an das Opfer erinnert, fallen lassen. Sie nennen den Tisch „Abendmahlstisch", weil um ihn herum das Abendmahl gefeiert wird. Die offene Bibel zeigt an, woraus die Kirche diese und alle anderen Erkenntnisse gewinnt.
7. Warum gibt es in vielen ev.-reformierten Kirchen keine Kreuze?
Im Prinzip hängt die Beobachtung, dass in sehr vielen ev.-reformierten Kirchen keine Kreuze zu finden sind, mit dem Verständnis des Bilderverbots zusammen.
In den meisten römisch-katholischen Kirchen sind sog. „Kruzifixe" zu sehen, also Kreuze mit dem daran hängenden leidenden Jesus Christus. Zu sehen ist dort also nicht nur das Kreuz als Symbol, sondern gleichzeitig eine Abbildung Jesu. Diese war für die reformierten Christen und Christinnen nicht akzeptabel, weil das Bilderverbot ihrer Ansicht nach die Abbildung Gottes verbietet und damit auch die Abbildung Jesu, der seit der frühen Christenheit als wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich bekannt wird. Aus diesem Grund haben viele ev.-reformierte Gemeinden nicht nur auf das Kruzifix, sondern auch auf das Kreuz als Zeichen verzichtet.
Andererseits ist aber auch festzustellen, dass in manchen evangelisch-reformierten Kirchen in Deutschland – wie z.B. in unserer Kirche - und häufiger noch in anderen Ländern schlichte Kreuze sehr wohl in der Kirche zu finden sind, nur eben keine Kruzifixe. Hier wird das Kreuz nicht als Abbildung Gottes, wohl aber als Zeichen für die zentrale Bedeutung des Kreuzes verstanden. Übrigens haben die Hugenotten, die reformierten Christen Frankreichs, ein eigenes Zeichen, das sog. Hugenottenkreuz geschaffen: das Kreuz mit der Taube. Die Taube ist ein Zeichen für den Heiligen Geist, auf den die Gemeinde ebenso angewiesen ist, wie sie auf das Kreuz Jesu Christi und seine Auferstehung gründet.
8. Warum haben manche evangelisch-reformierten Kirchen eine um die Kanzel kreisförmig ausgerichtete Bestuhlung?
Die meisten Kirchengebäude der evangelisch-reformierten Gemeinden in Deutschland sind bereits vor der Reformation gebaut worden. Sie waren so gestaltet, dass in ihren zumeist länglichen Innenräumen der Blick auf den vorne stehenden Altar ausgerichtet war. Oft hatten sie auch sog. Hochaltäre, die in besonderer Weise Aufmerksamkeit beanspruchten.
Die erste als reformierte neu gebaute Kirche ist 1564 in Lyon entstanden. In ihr stand nicht mehr der Altar, sondern die Kanzel im Mittelpunkt. Die ganze Kirche ist sozusagen um sie herum gebaut worden. Das verdeutlicht, dass die Predigt im Mittelpunkt des Gottesdienstes und auch der Kirche steht; man könnte sogar sagen, dass der Kirchenbau im Dienste der Predigt stand. Ein theologischer Grund - mit akustischen Konsequenzen. Denn die Predigten sind, wenn die Bänke nicht zu weit von der Kanzel weg sind, besser zu verstehen.
In vielen ref. Kirchen ist bei Umbaumaßnahmen und bei Neubauten dies aufgegriffen und umgesetzt worden. Übrigens sind nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) auch in römisch-katholischen Kirchenneubauten oft Bänke im Halbrund konstruiert worden.
9. Warum gibt es in vielen ev.-reformierten Kirchen keine Kerzen?
Es gab in der Tat Zeiten, da war in kaum einer evangelisch-reformierten Kirche eine Kerze zu finden. Das ist heute durchaus anders: In vielen reformierten Kirchen gibt es mittlerweile Kerzen zu den Gottesdiensten.
Woher aber rührt die Skepsis vieler Reformierter hinsichtlich der Kerzen in den Kirchen? In römisch-katholischer Tradition wird die Kerze als „Lichtopfer“ verstanden, die z.B. für Kranke angezündet wird, oft vor Heiligenfiguren oder Heiligenbildern. Geweihte Kerzen sollen himmlische Hilfe bewirken. Außerdem symbolisiert die Kerze im Tabernakel, dem Aufbewahrungsort für die geweihten Hostien, das ewige Licht. Und deshalb findet in römisch-katholischen Kirchen auch kein Gottesdienst ohne Kerzen statt.
Diesen Bedeutungen der Kerzen stimmen die evangelischen Kirchen generell nicht zu. Kerzen sind entbehrlich, so urteilte auch Martin Luther. Während in lutherischen Kirchen Kerzen meistens vorhanden blieben, haben die meisten reformierten Gemeinden sie aus den Kirchen verbannt. Sie wollten damit verdeutlichen, dass mit Kerzen Gott nicht zu etwas zu bewegen ist.
War bis vor wenigen Jahrzehnten ein reformierter Gottesdienst mit Kerzen kaum vorstellbar, können die meisten Reformierten heute durchaus Gottesdienst mit Kerzen feiern.
Aber es geht ebenso gut ohne.
10. Warum haben viele evangelisch – reformierte Kirchen keinen Namen?
Wenn nach dem Namen evangelisch-reformierter Kirchen gefragt wird, so heißen sie zumeist „Evangelisch-reformierte Kirche". In manchen Orten gibt es mehrere reformierte Kirchen, da heißen sie dann vielleicht: „Alte Kirche" und „Neue Kirche". Oder sie werden nach dem Platz oder der Straße genannt, an dem bzw. der sie liegen (z.B. „Bergkirche"). Es gibt auch manchmal eine reformierte „Christus-Kirche".
Aber (bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen) tragen die reformierten Kirchen nicht den Namen eines Heiligen oder eines Jüngers Jesu, wie das in beinahe allen römisch-katholischen und sehr vielen evangelisch-lutherischen Kirchen der Fall ist.
Der Grund für diese Praxis ist, dass die römischkatholischen Kirchen nach Heiligen benannt werden, wobei häufig deren Reliquien im Altar eingemauert sind. Das römisch-katholische Verständnis von Heiligen unterscheidet sich aber erheblich vom evangelischen (auch wenn hier eine ökumenische Bewegung aufeinander zu deutlich zu erkennen ist). Die Reformatoren haben sich vehement gegen die Anrufung von Heiligen gewehrt, weil Gott alleine anzurufen ist. Daraus haben die evangelisch-lutherischen Kirchen hinsichtlich der Kirchenbenennung keine Konsequenzen gezogen - sie haben vielerorts die alten Namen beibehalten. Die evangelisch-reformierten Gemeinden waren hier der Auffassung, dass das römisch-katholische Heiligenverständnis nicht im Namen ihrer Kirche auftauchen sollte - und strichen deshalb die Namen. So heißen die reformierten Kirchen heute oft einfach nach dem Ort, an dem sie sich gerade befinden.
11. Stimmt es, dass in evangelisch – reformierten Kirchen früher keine Orgeln standen?
Nein, das stimmt nicht. In den evangelisch-reformierten Kirchen standen und stehen ebenso Orgeln wie in den evangelisch-lutherischen Kirchen. Und oft sogar ganz besonders schöne - gerade das reformierte Ostfriesland besitzt beispielsweise einen Schatz wunderschöner historischer Orgeln.
Aber die Frage kommt nicht von ungefähr. Denn es stimmt, dass in Zürich auf Veranlassung Zwinglis die Orgeln ausgebaut wurden und auch kein Gemeindegesang stattfand. Dabei war Zwingli keinesfalls unmusikalisch oder gegen die Musik eingestellt - das Gegenteil ist der Fall. Er selbst schrieb und komponierte christliche Lieder, die aber wohl nicht für den Gemeindegesang gedacht waren. Zwingli wollte gegen die äußere Pracht der Gottesdienste angehen, der innere Gottesdienst sei entscheidend. So wurden in Zürich auch die wertvollen metallenen Abendmahlsgeräte durch einfache hölzerne Becher und Teller ersetzt. Im Mittelpunkt sollte nicht der Prunk stehen, sondern das Hören auf das Wort. Einige Jahre verhielt es sich in Zürich vermutlich so, ganz genau weiß man dies nicht. Auch in Genf und in vielen reformierten Gemeinden Frankreichs wurde der Psalmengesang der Gemeinde lange Zeit nicht von der Orgel begleitet. Dies hat sich jedoch nicht durchsetzen können. Die Orgel hilft den reformierten Gemeinden seit Jahrhunderten, ihre Lieder und vor allem ihre Psalmen - ein Kennzeichen reformierter Gemeinden - zu singen. So entstammt aus reformierter Tradition auch wunderschöne Orgelmusik, z.B. vom Niederländer Pieter Sweelinck.
12. Warum heißt es in den meisten evangelisch- reformierten Gottesdiensten „Unser Vater” und nicht „Vater Unser”?
Das Gebet, das nach dem Zeugnis des Neuen Testaments von Jesus selbst seinen Jüngern gegeben wird, wird im Volksmund „Das Vaterunser“ genannt. Dieses Gebet, das im Zusammenhang mit der Bergpredigt im sechsten Kapitel des Matthäusevangeliums zu finden ist, ist das wichtigste Gebet für alle Kirchen gleich welcher Konfession. Es verbindet die Christen und Christinnen über die Konfessionen hinweg, weshalb es seit langer Zeit auch eine wortgleiche Formulierung für alle deutschsprachigen Kirchen gibt. Lediglich im Anfang unterscheiden sich die Kirchen: Während die römisch-katholische Kirche ebenso wie die lutherischen Kirchen beten: „Vater unser im Himmel“, beten die Reformierten: „Unser Vater im Himmel“. In der lateinischen Bibel heißt es „Pater noster“ – und in der lateinischen Sprache ist diese Reihen- folge auch richtig. Martin Luther hat in seiner Bibelübersetzung im Deutschen richtig formuliert: Unser Vater. In der gottesdienstlichen Liturgie hingegen hat Luther den in der kirchlichen Tradition gebräuchlichen Wortlaut übernommen und behielt so die lateinische Reihenfolge von Vater und Unser bei. Hierin kommt ein Grundsatz der lutherischen Reformation zum Ausdruck: Es wird nur das geändert, was der Bibel ausdrücklich widerspricht. Weil man aber in der deutschen Sprache nicht „Vater unser“ sagt, sondern „unser Vater“ (eben- so wie „meine Schwester“ und nicht „Schwester meine“ oder „unser Haus“ und nicht „Haus unser“), sahen die Reformierten keinen Grund, hier die deutsche Sprache zu ändern. So beten viele Reformierte „Unser Vater im Himmel“. Dies ist jedoch kein Dogma; es ist nur eine Übereinkunft. Und so beten die meisten Reformierten in ökumenischen Gottesdiensten auch „Vater Unser“.
13. Warum haben die reformierten Gottesdienste keine Liturgie?
Wenn diese Frage gestellt wird, ist mit „Liturgie“ wohl der Teil des Gottesdienstes unmittelbar vor (und manchmal auch nach) der Predigt gemeint. Diese liturgischen Abschnitte sind in den evangelisch-lutherischen Gottesdiensten dadurch geprägt, dass sie jeweils gleichbleibende Teile enthalten. Einige werden gesungen, andere im Wechsel zwischen dem oder der Predigenden und der Gemeinde gesprochen. Wenn das mit „Liturgie“ ge- meint ist, dann gibt es in der Tat im reformierten Gottesdienst keine Liturgie. „Liturgie“ heißt im eigentlichen Sinn jedoch soviel wie „Gottesdienstordnung“. In diesem Sin- ne haben alle Kirchen ihre Gottesdienstordnung, ihre Liturgie. Alle Reformatoren haben nun die vorhandenen Gottesdienstordnungen der römisch-katholischen Kirche verändert. Luther und die lutherische Kirche haben für ihren neu gestalteten Gottesdienst die vorhandene römisch-katholische Messe genommen und sie umgearbeitet. Zwingli, Calvin und die reformierten Kirchen haben hinge- gen den schon vor der Reformation vorhandenen Prädikantengottesdienst als Vorlage benutzt, der im Süden Deutschlands gebräuchlich war. So entstanden zwei unterschiedliche evangelische Gottesdienstformen, die bis heute nebeneinander stehen. Häufig hat es Überlegungen gegeben, die unter- schiedlichen Gottesdienstformen anzugleichen; in manchen evangelischen Kirchen in Deutschland haben im 19. Jahrhundert sogar Annäherungen in diesem Sinne stattgefunden, sodass manche lutherische Elemente in reformierten und manche reformierte Elemente in lutherischen Gottesdiensten übernommen wurden. Aber eigentlich ist das Nebeneinander verschiedener Gottesdienstformen eher als Reichtum denn als Armut zu sehen. Hinzu kommt: Viele Christen bevorzugen gerade diejenige Gottesdienstform, in der sie zu Hause sind und die sie lieb gewonnen haben.
13. Warum sind viele reformierte Predigten so lang?
Wenn die Frage heute so gestellt wird, wird dar- auf angespielt, dass in vielen reformierten Gottes- diensten die Predigt heute durchaus zwanzig Mi- nuten dauert. Und viele Hörer empfinden dies als lang, manche sogar als zu lang. Andere hingegen halten zwanzig Minuten sogar für eher knapp. Was als lang empfunden wird, hängt auch mit Gewohnheiten zusammen. Und manche Menschen haben heute Mühe, längere Zeit zuzuhören, weil in unserer modernen Welt alles kürzer und schneller geworden ist. Zu anderen Zeiten war das anders – in manchen alten Kirchen ist noch ein Stundenglas an der Kanzel zu finden; eine Mahnung an die Prediger, nicht länger als sechzig Minuten zu predigen. Die Predigt ist der Mittelpunkt des Gottesdienstes; in ihr wird bezeugt, was Gott den Menschen zuspricht und was er von ihnen möchte. Deshalb wird auf sie in re- formierten Gottesdiensten (hoffentlich) die meiste Sorgfalt verwendet. Und um verstehen zu können, was ein biblischer Abschnitt auch heute zu sagen hat, braucht es manchmal eine längere Zeit. Diese ist nach reformierter Auffassung wichtig und nötig, weil die Predigt das Kostbarste ist, was den reformierten Gottesdienst ausmacht. Alle anderen Teile des Gottesdienstes sind auf die Predigt zugeordnet und kommen von ihr her. Und weil das, was von Gottes Wort zu lernen ist, so un- vergleichlich wichtig ist für unser Leben, weil die Botschaft des Alten und des Neuen Testaments uns Leben schenkt, darum ist die Mühe, die das Hören macht, nicht vergeblich, sondern sinnvoll und lohnend. Übrigens sind in vielen reformierten Gemeinden die Predigten oft kürzer als zwanzig Minuten. Und bei guten Predigten vergeht die Zeit wie im Flug.
14. Warum sind viele reformierte Predigten so lang?
Wenn die Frage heute so gestellt wird, wird dar- auf angespielt, dass in vielen reformierten Gottes- diensten die Predigt heute durchaus zwanzig Mi- nuten dauert. Und viele Hörer empfinden dies als lang, manche sogar als zu lang. Andere hingegen halten zwanzig Minuten sogar für eher knapp. Was als lang empfunden wird, hängt auch mit Gewohnheiten zusammen. Und manche Menschen haben heute Mühe, längere Zeit zuzuhören, weil in unserer modernen Welt alles kürzer und schneller geworden ist. Zu anderen Zeiten war das anders – in manchen alten Kirchen ist noch ein Stundenglas an der Kanzel zu finden; eine Mahnung an die Prediger, nicht länger als sechzig Minuten zu predigen. Die Predigt ist der Mittelpunkt des Gottesdienstes; in ihr wird bezeugt, was Gott den Menschen zuspricht und was er von ihnen möchte. Deshalb wird auf sie in re- formierten Gottesdiensten (hoffentlich) die meiste Sorgfalt verwendet. Und um verstehen zu können, was ein biblischer Abschnitt auch heute zu sagen hat, braucht es manchmal eine längere Zeit. Diese ist nach reformierter Auffassung wichtig und nötig, weil die Predigt das Kostbarste ist, was den reformierten Gottesdienst ausmacht. Alle anderen Teile des Gottesdienstes sind auf die Predigt zugeordnet und kommen von ihr her. Und weil das, was von Gottes Wort zu lernen ist, so unvergleichlich wichtig ist für unser Leben, weil die Botschaft des Alten und des Neuen Testaments uns Leben schenkt, darum ist die Mühe, die das Hören macht, nicht vergeblich, sondern sinnvoll und lohnend. Übrigens sind in vielen reformierten Gemeinden die Predigten oft kürzer als zwanzig Minuten. Und bei guten Predigten vergeht die Zeit wie im Flug ...
15. Warum wird das Glaubensbekenntnis in manchen evangelisch-reformierten Gemeinden anders gesprochen?
An einer einzigen Stelle wird in den meisten reformierten Gemeinden das Apostolische Glaubensbekenntnis anders gesprochen als in lutherischen Gemeinden. Reformierte sagen: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige allgemeine christliche Kirche...“, während die Lutheraner sprechen: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche...“. Die Reformierten sagen also ein Wort mehr, nämlich das Wort „allgemeine“. Die Katholiken schließlich sagen: „Ich glaube an den Heiligen Geist, eine heilige katholische Kirche...“. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist eines der ältesten Bekenntnisse der Kirche und ist in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt allmählich entstanden; seit mehr als tausend Jahren liegt die heutige Fassung in etwa fest. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist auf Latein verfasst worden, und exakt übersetzt heißt die genannte Zeile: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die eine heilige allgemeine Kirche...“. Die römisch-katholische Kirche hat den Wortlaut beibehalten, aber lässt das lateinische Wort „catholicam“ (= „allgemeine“) unübersetzt und sagt „katholisch“ – somit heißt es „heilige katholische Kirche“. Luther sah darin das Problem, dass so die römisch-katholische Kirche mit der ganzen Kirche auf Erden verwechselt werden könne, zu der alle Christen und Christinnen gehören, ganz gleich ob sie evangelisch oder katholisch sind. Aus diesem Grund hat er das Wort „catholicam“, das „allgemein“ heißt, ersetzt durch das Wort „christliche“; nach ihm heißt es also: „heilige christliche Kirche“. Die Reformierten haben nun einerseits festhalten wollen, dass das „allgemein“ gilt, weil es eine weltweite Kirche ist, die nicht eingeschränkt wer- den darf. Aber sie stellten sich auch in eine Linie mit Martin Luther und übernahmen das „christlich“. Und so wird das Glaubensbekenntnis bis heute in vielen reformierten Gemeinden an einer einzigen Stelle etwas anders gesprochen als in den evangelisch-lutherischen Kirchen: „Ich glaube ... eine heilige allgemeine christliche Kirche“. In vielen reformierten Gottesdiensten wird nicht an jedem Sonntag das Glaubensbekenntnis gesprochen, sondern nur bei Taufen und Konfirmationen. Denn im Zusammenhang mit der Taufe sind in der frühen Christenheit die Vorformen des Glaubensbekenntnisses entstanden.
16. Singen die Reformierten andere Lieder?
Ja und Nein. Zunächst einmal haben die evangelisch-reformierten Gemeinden zusammen mit allen anderen evangelischen Gemeinden, die zur Evangelischen Kirche in Deutschland gehören, ein gemein- sames Gesangbuch, das „Evangelische Gesang- buch“. Und die meisten Lieder sind in evange- lisch-lutherischen, evangelisch-unierten und evangelisch-reformierten Gemeinden gleich beliebt, etwa die Lieder von Paul Gerhardt (z.B.: „Befiehl du deine Wege“). Aber in derjenigen Fassung des „Evangelischen Gesangbuchs“, das in den Gemeinden der Evangelisch-reformierten Kirche benutzt wird, sind zusätzlich noch 150 Lieder ganz am Anfang gedruckt: die Psalmen. Die Melodien dieses sogenannten Reimpsalters gehen auf die Reformationszeit in Genf zurück. In fast allen Ländern der Welt werden in reformierten Gemeinden nach den gleichen alten Melodien Psalmen gesungen. Einige dieser Psalmen sind auch in denjenigen Teil des Gesangbuchs gekommen, der in allen evangelischen Gemeinden der Landeskirchen gesungen wird. Die Psalmen, die dem Alten Testament entstammen, verbinden im gemeinsamen Gotteslob die Kirche mit Israel. Die Texte und Themen der Psalmen haben die Zeiten überdauert. Für die Reformierten sind die Psalmen ein Schatz, den sie selber oft noch viel zu wenig kennen.
Die Reihe wird fortgesetzt!